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…wie er völlig mühelos durch ein skalierbares Online-Brot ein passives Einkommen von mehr als 10K im Monat erzielen können. Denn wir wissen ja: alles unter 10k ist nur ein Hobby.
Die Müllerstochter folgte dem vollkommen inhaltsleeren Gespräch nicht, bis sie plötzlich ihren Namen hörte, als ihr Vater damit prahlte, dass er das alles gar nicht brauche, denn seine wahnsinnig effiziente und übermäßig kluge Tochter könne Stroh in Gold verwandeln.
Die Müllerstochter stöhnte innerlich auf, sah zwischen den beiden Männern hin und her und fragte sich zum wiederholten Mal in ihrem Leben, wie aus dem Patriarchat ein so erfolgreiches Konzept hatte werden können.
Es sie sich versah, fand sie sich in einem Turmzimmer voller Stroh wieder, fein säuberlich in Haufen unterteilt: Karriere, Mutter des Jahres, blitzblank-perfekter Haushalt, supergepflegt-witzig-charmant-kluges Auftreten stand über einigen davon.
Sie ließ sich auf den Boden fallen und wusste nicht mehr weiter: das alles in Gold zu verwandeln, war völlig Menschen-unmöglich.
Plötzlich tauchte neben ihr ein kleines Wesen auf, das neugierig fragte: Wieso siehst du so ratlos aus? Sie seufzte: Ich soll diesen ganzen Kram hier zu Gold machen… Das Wesen grinste verschlagen und sagte: Und wenn dir helfe?
Warum solltest du das tun, fragte die Müllerstochter verwundert? „Weil du mir im Gegenzug dafür deine freie Zeit schenken wirst“, entgegnete das Wesen. Und dieses Versprechen ist bindend, bis du herausfindest, wie ich heiße.
Die Müllerstochter ließ ihren Blick noch einmal über die riesigen Berge schweifen, dachte an ihre Altersvorsorge und willigte ein. Mit einem Fingerschnipsen verwandelte das Wesen das Stroh in Gold und verschwand durch die Tür.
Am nächsten Morgen war alle Welt begeistert und völlig hin und weg von den Fähigkeiten der Müllerstochter. Du bist ja eine echte Powerfrau, staunte der Life Coach – und der Müllerstochter wurde spontan ein wenig übel.
Am selbsten Abend fand sich im Turmzimmer doppelt so viel Stroh wieder wie am Vortag. Die Haufen „ehrenamtliches Engagement“ und „zuckerfreier kuchen für schulfeste backen“ waren komplett neu dazugekommen. Die Müllerstochter fragte, was das sollte – und bekam zur Antwort: dass sie am Vortag ja wohl unter ihren Möglichkeiten geblieben wäre und dass wahres Wachstum immer außerhalb der Komfortzone stattfinde.
So ging es wochenlang weiter. Die Müllerstochter aber wurde immer erschöpfter, und wusste gar nicht mehr, wer sie eigentlich war - denn sie hatte schließlich keine einzige Minute Zeit mehr für sich. Schließlich fasst sie sich eines Abends ein Herz und schlich dem seltsamen Wesen hinterher.
Es wohnte in einer kleinen, idyllischen Hütte am Waldrand und sang gerade vor einem kleinen Lagerfeuer vor sich hin: Heute back ich, morgen brau ich, übermorgen hole ich mir die Zeit der Müllerstochter. Ach, wie gut, dass niemand weiß, dass ich in Wirklichkeit Effizienz heiß!
Die Müllerstochter erkannte plötzlich, was WIRKLICH dahintersteckte, rief das Wesen beim Namen und verlangte von ihm, ihr ihre Zeit zurückzugeben. Das Wesen gab sich geschlagen und sie übten die ganze Nacht, bis die Müllerstochter die magischen Worte des Gegenzaubers sicher beherrschte.
Am nächsten Tag baute sich die Müllerstochter vor den vielen Menschen vor dem Turm auf, nahm all ihren Mut zusammen, schloss die Augen und sprach die magische Buchstabenfolge:
NEIN.
Und sie lebte glücklich, mit einer normalen Menge Stroh, aber mit viel Zeit, bis an ihr Lebensende.
Und die Moral von der Geschicht‘: Immer effizienter werden, löst unsere Probleme nicht.
(Alle meine Zeitmanagement-Märchen habe ich dir hier einmal verlinkt!)